Meine Großcousine Kati hatte mir den Floh ins Ohr gesetzt. Sie wollte unbedingt endlich mal Nicole in Person kennenlernen und Ihre Mutter auch. Deshalb könne ja ich dieses Jahr zum Familientreffen kommen. Ich hatte ja schon einigen verrückten Ideen umgehend zugestimmt beziehungsweise selber gehabt, aber von dieser Idee war ich nicht von Anfang an uneingeschränkt begeistert. Hatte mein Selbstbewusstsein schon derartig Muskeln bekommen? Musste ich das meiner Familie, insbesondere meinem Vater wirklich „antun“? Ich lebte ja auch die restliche Zeit nicht komplett als Frau, es bestand also gar kein Druck nach dem Motto „Ihr seht mich jetzt nur noch so.“. Andererseits war es nun Mal ein wesentlicher Teil von mir und natürlich wollte auch dieser Teil von der Familie anerkannt werden. Das meine Großcousine und meine Cousine mich positiv aufnehmen würden konnte ich mir denken, aber bei anderen potentiellen Teilnehmern war ich mir nicht so sicher, wie die Reaktion sein würde, beziehungsweise wie sie damit umgehen würden.
Zum Geburtstag hatte ich von meinem Vater und von seiner Lebensgefährtin ein wunderschönes Kleid von meiner Amazon Wunschliste bekommen. Das Familienfest wäre natürlich genau der passende Anlass gewesen es das erste Mal anzuziehen. Doch leider reichte meine Disziplin nicht um die letzten paar Kilo für den richtigen Sitz wegzubekommen. Da mein Kleiderschrank mittlerweile ja einige Stücke beinhaltete, die auch gut kombinierbar waren würde das passende Outfit keine Herausforderung darstellen.
Je näher der Tag des Treffens kam desto öfter kamen die Zweifel. Es war nicht die Nervosität früherer Ausflüge sondern nur die Frage machen oder nicht machen, die mir durch den Kopf ging. Ich habe in dieser Zeit ganz viel Zustimmung und Unterstützung von ganz lieben Menschen bekommen, dafür vielen lieben Dank. Es war ungewöhnlich die ganzen Sachen und Utensilien für die Fahrt nach Berlin einzupacken, aber es half auch mich zunehmend an den Gedanken zu gewöhnen.
Da wir am Samstag noch einiges zu tun hatten ehe die Gäste kamen begann ich bereits am Freitagabend mit meinen persönlichen Vorbereitungen. Um genau zu sein, ich lackierte mir die Nägel. Ich tat dies im Beisein von Papa und es war viel weniger merkwürdig als ich es erwartet hatte. Auch das ich am Samstag mit blau-glitzernden Nägel durch das Haus rannte ohne komplett zurechtgemacht zu sein war eher wie zuhause, wo das schon mal öfter vorkam.
Zurechtmachen war wie zuhause auch immer und als ich die Treppe herunterging war ich zu meinem Erstaunen, obwohl ich gleich meinem Papa gegenübertreten würde, nicht wirklich nervös. Er sah mich an, nahm mich in die Arme und meinte er müsse mich jetzt mal drücken. Es hat nicht viel gefehlt und mir wären die Tränen gekullert. Zum Glück für mein Make-up schrammt ich ganz dicht dran vorbei. Ein wenig aufgeregt war ich dann doch als der Rest der Familie klingelte und ich sie hereinließ. Meine Cousine sagte, sie würde meine Mutter vor sich stehen sehen. Das war in diesem Augenblick ein riesiges Kompliment für mich, früher hatte es mich immer geärgert wenn jemand am Telefon sagte, ich klänge wie Mama. Das Familientreffen war mit Nicole so wie sonst auch immer. Es war auch mein erstes Mal als Gastgeberin, die Rolle gefiel mir durchaus auch gut.
Es waren rundum wunderschöne Stunden für mich und ich bin froh, das Kati mich dazu gebracht hat und ich es gewagt habe. Ich habe eine tolle Familie ❤️
Bis bald wieder
Eure
Nicole
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